Karfreitag und Ostern sind für mich immer recht unbequeme Tage. Ich komme ihrer Bedeutung einfach nicht auf die Spur. Mein Dilemma: Ich weiss weder, wessen ich genau gedenken soll, noch, wie.
Ich verbringe die Tage deswegen meist unruhig, suchend, besuche hilflos einen Gottesdienst, was sich jedesmal als unbefriedigend erweist. Wenn ich die freien Ostertage hingegen einfach für einen Kurzurlaub brauche, fehlt mir etwas.
Dieser seltsame Sünden-Deal
Die Wendung „Jesus ist am Kreuz für meine Sünden gestorben“ sagt mir nichts. Ich bringe mein Gottes- und Menschenbild nicht mit einer Vorstellung zusammen, die besagt, dass jeder einzelne Mensch nur schon durch seine Existenz die Todesstrafe verdient hätte, bis hin zum Neugeborenen.
Ich kann das nicht denken!
Dazu kommt das bekannte Problem, dass Gott jemandem etwas „bezahlen“ musste, um es seinen geliebten Menschen zu ermöglichen, in Beziehung mit ihm zu leben. Das wiederum würde heissen, dass Gott sich an Spielregeln halten müsste, die sogar höher sind als er selbst. Das kann es also auch nicht sein.
Jesus von Nazareth – menschgewordener Gott?
Auch in der Verkündigung von Jesus von Nazareth in den synoptischen Evangelien finde ich die Sünde/Vergebung-Thematik nicht zentral. Jesus vergibt zwar den Menschen, die er körperlich gesund macht, auch ihre Sünden. Dies verstehe ich aber vor allem als Zuspruch, dass sie nicht die Vermittlung eines Priesters brauchen, sondern dass Gott sich ihnen direkt zuwendet. Als menschgewordener Gott war die Botschaft dieses Jesus, dass Gottes Reich, Gottes Werte in der Welt realisiert werden sollen.
Wie? – „Liebe Gott, und liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
War das Kreuz die Konsequenz der Predigt von Jesus, indem er für seine Nächstenliebe sogar Verurteilung und unrechtmässige Todesstrafe auf sich nahm? Und die Auferstehung. In welcher Form und mit welchem Begriff auch immer, jedenfalls war das Grab mit hoher Wahrscheinlichkeit leer und seine engsten Freunde begegneten ihm später auf irgendeine Weise wieder. War dieses übernatürliche Ereignis einfach die Bestätigung seiner Göttlichkeit, mit der seiner Botschaft noch einmal massiv Nachdruck und Autorität verliehen werden sollte?
Ich verstehe es nicht.
Dem Mysterium auf die Spur kommen
Und so suche ich Jahr für Jahr (und mittlerweile auch im Woche für Woche im Theologiestudium) die Bedeutung dessen, was rund um das Peschach-Fest etwa im Jahr 30 unserer Zeitrechnung geschehen ist.
Bisher hat mich kein theologischer Ansatz dazu tief überzeugt. Und dass darüber seit 2000 Jahren diskutiert und gerätselt wird, zeigt mir, dass es wohl auch keine Erklärung gibt.
Dieses Nicht-verstehen erzeugt bei mir das Gefühl, dass sich damals, bei Tod und Auferstehung von Jesus Christus, etwas Kosmisches ereignet hat. Etwas Geheimnisvolles, das die Ordnung und den Gang der Welt grundlegend verrückt hat, und deshalb weit über meinem Begreifen liegt. Ich fühle mich diesem Mysterium gegenüber so klein und unbedeutend, dass ich es schwierig finde, das Ganze irgendwie auf mein Leben zu beziehen, geschweige denn, an einem Wochenende im Jahr dessen zu gedenken.
Vielleicht fühle ich mich deswegen in diesen Tagen jeweils am wohlsten in Riten, die ohne viele Worte auskommen. Und wenn, dann in Form von Poesie. Musik, ein Sonnenaufgang, Bilder, Rituale.
Wie könnte man einem Geheimnis auch näher kommen als damit?
Diesen Blogpost durfte ich zuerst 2018 als Gastbeitrag bei REFLektionen veröffentlichen.
Photo by Bruno van der Kraan on Unsplash
Hallo Evelyne
Dein Beitrag kommt mir irgendwie ziemlich schematisch daher – Deine Fragen sind nicht gerade neuer Schnee. Ist das nun einfach so ein PR-Dings, um mal wieder was zu publizieren und gewisse Meinungen zu provozieren?
Oder stellst Du Dir diese Fragen wirklich und beschäftigen Sie Dich auch zu innerst?
Gruss Philipp
Hi Philipp, danke fürs Mitlesen und Kommentieren. Natürlich, mit diesen Fragen haben sich schon Konzilien vor 1700 Jahren beschäftigt. Da mich keine Antwort so richtig überzeugt, stelle ich mir die Fragen tatsächlich ernsthaft weiterhin. Wie denkst du denn inhaltlich darüber? En liebe Gruess
Prima, dann lass und das mal anschauen …
@Gott sich an Spielregeln halten müsste, die sogar höher sind als er selbst.
Aus meiner Sicht ist diese Logik nicht zwingend. Du kennst vermutlich das Kartenspiel «Uno», da gibt es recht viele teilw. unterschiedlich gehandhabte Regeln. Jedes mal wenn ich dieses mit Fremden spiele, müssen wir zuerst die Regeln/Gesetze festhalten, damit wir einigermassen konfliktfrei miteinander spielen können. Diese Regeln stehen dabei aber nicht «über uns», sondern im Gegenteil, wir haben diese erstellt/vereinbart.
Ähnlich sehe ich dies mit Gott, er steht immer noch über den Spielregeln. Aber er hält sich an seine eigenen Regeln und bricht diese nicht.
@»Problem, dass Gott jemandem etwas bezahlen musste, um es seinen geliebten Menschen zu ermöglichen, in Beziehung mit ihm zu leben.»
In unserer nach-christlichen Kultur haben wir uns daran gewöhnt, dass unsere Vergehen vergeben werden können. Ursprünglich war das aber nicht so, jedes noch so kleine Vergehen konnte zu jeder beliebigen Zeit wieder hervorgeholt und angeklagt werden. Daher hat Gott nach einem Weg gesucht, dieses «für ewig befleckt» zu verhindern/abzuwaschen. Deshalb hat er die Regel geschaffen, dass jemand von seinem Vergehen reingewaschen werden kann, wenn ein unschuldiges Wesen (z.B. ein Lamm) das Vergehen und die entsprechende Strafe übernimmt. Und diese «Regel» hat er dann seinem Volk ganz klar und konsequent vermittelt, siehe die Geschichte Israels. Gott selbst hat das Prinzip des Sündenbockes eingeführt und dann diese Regel auch bei sich selbst eingehalten bis zum Tod am Kreuz. Da wird nicht etwas an Gott oder sonst wen «bezahlt», sondern Gott selbst übernimmt die Rolle des Sündenbockes.
@»Dass jeder einzelne Mensch nur schon durch seine Existenz die Todesstrafe verdient hätte»
Wenn man diese Problematik des hier angesprochenen «Sündenfalls» aus der Perspektive von Recht & Gesetz betrachtet, was unserer Kultur entspricht und auch in der katholischen Kirche oft gemacht wird (Erbsünde), dann ist das Ganze schon recht frustrierend: da werden alle Menschen als unzureichend und «befleckt» bezeichnet, auch wenn sie in ihrem Leben keine Verbrechen begangen haben.
Wenn Du da aber auf die Beziehungsebene wechselst, wird nach meiner Ansicht die Problematik besser verständlich und nachvollziehbar. Denn das Schlimme, dass damals geschah, ist nicht die heimlich verspeiste Frucht und vermutlich auch nicht der offensichtliche Ungehorsam gegenüber Gott, sondern die Veränderung im Herzen der ersten zwei Menschen, als sie auf die Stimme hörten, die sprach:»Hat Gott wirklich gesagt?». Denn an diesem Punkt hörten sie auf, Gott zu vertrauen, dass er es gut mit ihnen meint und all sein Handeln von seiner Liebe ihnen gegenüber geleitet ist. Da hatten sie begonnen, an Gottes Liebe zu zweifeln und zu glauben, dass er ihnen etwas vorenthalten will. Die Liebesbeziehung war zerbrochen und Adam & Eva hatten sich von Gott abgewandt. Diese Abwendung von Gottes Liebe und das Nicht-Vertrauen in ih haben sie dann weiter gegeben an ihre Kinder und diese wiederum an ihre Nachkommen usw. Und Du findest dieses Nicht-Vertrauen in Gott auch heute noch in jedem Menschen, manchmal mehr, manchmal weniger. Da brauchst Du nicht das Bild eines strafenden Gottes zu bemühen, um zu verdeutlichen, dass wir von uns heraus nicht wirklich taugen für eine vertrauensvolle Gemeinschaft mit Gott.